Vertreibungen unterliegen nicht Naturgesetzen

Festakt anläßlich der Gründung der Sudetendeutschen Landsmannschaft vor 60 Jahren am 31.03.2012 im Stuttgarter Rathaus

 

Sind Vertreibungen tatsächlich eine Antwort auf vorhergegangene Taten? Folgen sie als Reaktion auf eine davorliegende Aktion? Oder sind sie gar Naturgesetz? Nein!, sagt Johann Böhm, Bayerischer Landtagspräsident a.D.. Vertreibungen folgen Entscheidungen menschlichen Willens. Der Mensch hat die Möglichkeit zu entscheiden, wie er auf ihm zugefügtes Unrecht reagiert.

Die Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg war eine solche Willensentscheidung und ist eben keine zwangsweise Reaktion auf das in der Zeit von 1938 bis 1945 dem Tschechischen Volk und Staat zugefügten Unrecht.

Dies war eine der Kernaussagen, die Johann Böhm als Festredner zum Festakt anlässlich des 60. Bestehens der Sudetendeutschen Landsmannschaft den anwesenden Gästen im Stuttgarter Rathaus ins Stammbuch schrieb. Zu diesen zählten neben vielen Vertretern der Sudetendeutschen Landsmannschaft und sudetendeutscher Vereinigungen in Baden-Württemberg Claus Schmiedel, Fraktionsvorsitzender der SPD, Hans-Ultich Rülke, Fraktionsvorsitzender der FDP, Paul Nemeth Vertriebenenpolitischer Sprecher der CDU in Vertretung von Peter Hauk, Fraktionsvorsitzender der CDU. Für den verhinderten Innenminister kam Ministerialdirigent Dr. Herbert O. Zinell. Vom Bundesverband der Sudetendeutschen Landsmannschaft nahm Franz N. Pany, Vorsitzender, und für die Bundesversammlung, dem Parlament der Sudetendeutschen Landsmannschaft, deren Präsident Reinfried Vogler, an dem Festakt teil.

Ein solcher Tag ist Anlaß des Rückblicks auf die Gründungszeit, die Gründungsväter und wichtige Stationen. Diesem Rückblick widmete sich Dr. Werner Nowak als Landesobmann. Als wichtige Stationen seien hier erwähnt die Charta der Heimatvertriebenen, die in Stuttgart im Jahr 1950 ausgerufen wurde und die Gründung des Landes Baden-Württemberg zwei Jahre später, an dessen Zustandekommen die deutschen Heimatvertriebenen erheblichen Anteil hatten.

In ihren Grußworten würdigten Dr. Zinell und Arnold Tölg als Vorsitzender des BDV in Baden-Württemberg die Leistungen der Heimatvertriebenen in kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Gebieten. Dass heute jeder 15. Einwohner in Baden-Württemberg sudetendeutsche Wurzeln hat sei hier ebenfalls erwähnt.

Die Festrede hielt wie schon erwähnt Johann Böhm, Bayerischer Landtagspräsident a.D.. Er spannte den Bogen bis zurück ins Jahr 1848. Damals war es nämlich, dass im Zuge des aufkommenden Nationalismus erstmals in der Geschichte Böhmens die Forderung laut wurde die seit vielen Jahrhunderten in Böhmen beheimateten Deutschen des Landes zu verweisen. Über 1918 und dem verweigerten Selbstbestimmungsrecht kam er ins Jahr 1938 und dem Anschluß an das Deutsche Reich. Er verschwieg deutsche Verbrechen an Tschechen in der Zeit bis 1945 nicht. Aber die Vertreibung der Deutschen war eben nicht allein eine Reaktion auf diese Verbrechen, vielmehr war sie ein Akt der Rache. Der ehemalige Staatspräsident Benesch hatte bereits viel früher die Vertreibung der Deutschen gefordert – lange vor 1938. Der Tschechische Staat, der Gespräche mit Sudetendeutschen bis heute ablehnt, wurde für die Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur entschädigt. Er erhielt durch unrechtmäßige Beschlagnahmung deutsches Eigentum. Die Bundesrepublik Deutschland wiederum kann jedoch in Eigentums- oder Wiedergutmachungsfragen nicht für die Sudetendeutschen sprechen. Es fehlt schlichtweg die rechtliche Grundlage. Somit lautete seine Forderung, dass der Tschechische Staat seine Haltung endlich ändern und Gespräche mit den Betroffenen aufnehmen sollte. Auch folgte die Vertreibung keinem Naturgesetz, sondern menschlichem Willen und sie sind nicht als Reaktion auf die deutschen Verbrechen anzusehen, da sie lange vor Kriegsbeginn gefordert wurden.

Ein anderer Aspekt der Rede waren die bis heute gültigen Beneschdekrete, die nach wie vor Deutsche und Ungarn in der Tschechischen Republik diskriminieren und bis heute Teil des tschechischen Rechtssystems sind. Diese nun endlich abzuschaffen war eine weitere Forderung.

“Die Sudetendeutsche Frage ist offen und eben nicht geklärt. Daran ändert auch die Freizügigkeit in Europa nichts. Die Sudetendeutsche Frage muss geklärt werden, und zwar mit den Betroffenen. Und es gibt Wissensdefizite in Politik und Bevölkerung, die es gilt abzubauen”, so Klaus Hoffmann, stellvertretender Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Land Baden-Württemberg und Vorsitzender des Heimatkreises Reichenberg.

 

Veröffentlicht in Aktuelles, Aus dem Heimatkreis Reichenberg.

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