Reichenberg – Stadtgeschichte („Geschichtlicher Ablauf”)

Die ehemals bedeutendste deutsche Stadt Böhmens liegt, von der Görlitzer (Lausitzer) Neiße durchflossen, am Fuße des 1012 Meter hohen Jeschken. Als „Reychinberg” findet sie erste urkundliche Erwähnung. Besitzer waren die Freiherrn von Biberstein, ihnen folgte 1552 das Geschlecht der Hohenzollern, 1558 dann die Freiherrn von Redern. Unter diesen erreichte Reichenberg, das seit Ende des 16. Jh. Stadt war, eine hohe Blüte. Nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 erfolgte die Ächtung derer von Redern; 1622 kam die Stadt durch Kauf an Wallenstein. Dieser förderte die Tuchindustrie und ließ Uniformen für sein Heer anfertigen. Der große Feldherr und Wirtschaftsmann verlor sein Herzogtum Friedland, zu dem Reichenberg gehört hatte, 1634, als er in Eger ermordet wurde. Reichenberg, im 30jährigen Krieg evangelisch, wurde bis 1658 wieder zum alten Glauben zurückgeführt. Viele Tuchmacher aber zogen der Bekehrung die Auswanderung vor. 1634 ging die Herrschaft an die Grafen Gallas über, 1757 an Clam-Gallas. Gleichzeitig wurde das Untertänigkeitsverhältnis aufgehoben. Im 18. Jh. beginnt ein neuer Aufschwung, der Reichenberg schließlich zur nordböhmischen Metropole machte. Als 1849 das provisorische Gemeindegesetz erlassen wurde, erhielt die Stadt eine eigene Gemeindeordnung. 1882 gab es
1 175 Tuchmachermeister, davon 614 selbständige in der Stadt (die ersten waren 1578 nach Reichenberg gekommen). Mit Gesetz vom 28.06.1889 wurde Reichenberg Stadt mit eigenem Statut. 1897 fuhr die erste Straßenbahn: Reichenberg – Volksgarten; später wurde die Strecke bis nach Oberhanichen unter dem Jeschken ausgedehnt. 1900 waren 32 Textilfabriken in Betrieb. 1907 entstand die Arbeitersiedlung des Großindustriellen Theodor Liebieg. Am 16.12.1918 besetzten tschechische Truppen Reichenberg, das damals Sitz der Deutschböhmischen Landesregierung war. 1938-1945 war Reichenberg Hauptstadt des Reichsgaues Sudetenland. Die Stadt, die bei Kriegsende 72.000 Einwohner hatte, wurde am 09.05.1945 durch die Rote Armee besetzt und ging in tschechische Verwaltung über. 1945 / 1946 wurde die deutsche Bevölkerung fast vollständig vertrieben. Heute ist die Kreisstadt Reichenberg, durch Eingemeindungen auf 100.000 Einwohner angewachsen, wieder ein wirtschaftliches Zentrum.

 

Manfred Strauß

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