Bericht Nr. 80 – Heinrich Ackerhans u.a. 1945/1950

Bericht Nr. 80

read this report in English translation

Ausweisung von Reichsdeutschen am 30. Mai 1945
Berichter: Heinrich Ackerhans und 8 andere Reichsdeutsche
Bericht vom 11. 7. 1950 resp. vom 31. 5. 1945 (Reichenberg)

 

Lage von ReichenbergLichtenberg, am 31. Mai 1945

Der Bürgermeister

An Amtsstelle erscheinen:

1. Ackerhans Heinrich, geb. 16. 9. 1886, Oberregierungsbaurat beim Reichsstatthalter i. Sudetengau in Reichenberg, wohnhaft in Reichenberg, Pestalozzistraße 9
2. seine Ehefrau Anna, geb. Eidtmann, geb. 21. 3. 1891
3. Holberg Wilfried, geb. 23. 11. 1930, wohnhaft wie 1.
4. Kohlmeyer Sophie, geb. Benkert, geb. 15. 7. 1902, wohnhaft in Reichenberg, Aloisienhöhe 7, Ehefrau des Karl Kohlmeyer, geb. 8. 6. 1901, Oberinspektor des Eichamtes Reichenberg
5. deren Tochter Christa, geb. 21. 12. 1928
6. Leonhardt Walter, geb. 26. 1. 1893, Reg. Amtmann beim Reichsstatthalter in Reichenberg, wohnhaft das. Joh.-Strauß-Straße 37
7. seine Ehefrau Frida, geb. Walther, geb. 13. 6. 1897
8. seine Tochter Gerda, geb. 13. 9. 1927
9. Spiegel Erich, geb. 14. 11. 1895, Reg. Inspektor beim Reichsstatthalter in Reichenberg, wohnhaft daselbst, Johann-Strauß-Straße 35

Die zu 1. bis 9. genannten Erschienenen erklären:

Gemäß Drahtfunk und Zeitungsbekanntgabe des Ceský národní výbor in Reichenberg hatten alle Reichsdeutschen Reichenberg sofort zu verlassen. Lediglich die Mitnahme von 10 kg Handgepäck war gestattet. Wir mußten und haben daher Reichenberg am 30. Mai 1945 unter Zurücklassung unseres gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens, einschließlich der Wertpapiere, Spar- und Bankguthaben, zu Fuß unter Mitnahme von Handgepäck verlassen. Die Lebensmittelkarten der 76. Lebensmittelperiode waren bis dahin nicht ausgegeben und wurden uns auch nicht verabfolgt. Am 31. Mai 1945 nachm. 14 Uhr erreichten wir nach wiederholter Beraubung unseres Handgepäcks und Bargeldes durch Angehörige der tschechoslowakischen Revolutionsgarde (RG) als ersten reichsdeutschen Ort Lichtenberg, Krs. Zittau i. Sachsen.

Die vorgenannten Reichsbeamten erklärten zusätzlich:

Der ständige Vertreter des Reichsstatthalters, Reg. Präsident Dr. Vogeler in Reichenberg, hat den Abteilungsleitern bekanntgegeben, daß die Beamten der Dienststelle infolge Übergabe der Dienstgeschäfte an den Ceský národní výbor v Liberci ihrer Amtspflichten als Reichsbeamte im Sudetengau entbunden sind und eine Übernahme durch die tschechische Rechtsnachfolgerbehörde nicht erfolgt. Eine entsprechende schriftliche behördliche Bestätigung wurde trotz Ansuchens nicht gegeben.

 

V. g. u.
gez. Heinrich Ackerhans, zugleich für seine Ehefrau und den Minderjähr.
Wilfried Holberg
gez. Walter Leonhardt, zugleich für seine Ehefrau und Tochter
gez. Sophie Kohlmeyer und Tochter
gez. Erich Spiegel

Nach den mir bekannten örtlichen Verhältnissen entsprechen vorstehende Angaben den Tatsachen.

Geschlossen: Der Bürgermeister, gez. Adolf Trenkler

 

Bericht
über unsere Vertreibung aus dem Sudetenland im Mai 1945.

Ich, Heinrich Ackerhans, geb. 16. 9. 1886, wurde als Reichsbeamter 1939 zuerst nach Karlsbad versetzt. Infolge Auflösung der Behörde wurde ich 1940 zur Reichsstatthalterei in Reichenberg versetzt. Der Umzug meiner Familie erfolgte daher von Berlin nach Reichenberg.

Nach der Kapitulation und dem Ende des Krieges haben die meisten Reichsbeamten, Angestellten und Arbeiter noch bis Ende Mai 1945 Dienst in der früheren Reichsstatthalterei, jetzt Ceský národní výbor, geleistet, dann wurde ihnen das Betreten der Diensträume verboten.

Am Dienstag, den 29. 5. 45 erfolgte die Anordnung des Nationalausschusses der neuen tschechischen Regierung durch Drahtfunk und Zeitungsbekanntgabe, daß alle Reichsdeutschen, die seit 1938 dort ansässig waren, Reichenberg sofort unter Mitnahme von maximal 30 kg Handgepäck (später auf 10 kg verringert) zu verlassen und sich dazu bis 24 Uhr hinter dem Bahnhof zum Sammeltransport zu stellen hätten. Viele Reichsdeutsche, so auch wir, sind der Anordnung nicht gefolgt, sondern auf eigenen Wegen geflüchtet. Am Mittwoch den 30. 5. 45 nachmittags 4 Uhr haben wir, d. h. meine Frau, ich und unser bei uns wohnender 14-jähriger Neffe, mit einem Handwagen voll Koffer gemeinsam mit 2 Beamten und deren Angehörigen Reichenberg verlassen (zus. 9 Personen). Unser gesamtes Eigentum, außer den verhältnismäßig geringen Werten in den mitgeführten, später geplünderten Koffern haben wir zurücklassen müssen. Am Stadtwald beim Volksgarten in Reichenberg wurden wir durch vier Angehörige der tschechischen Revolutionsgarde (Armbinde mit R.G.) überfallen. Unter Bedrohung mit Maschinenpistole und Hundepeitsche wurden wir zunächst einer Leibesvisitation unterzogen, unsere Wertsachen abgenommen, dann wurden unsere Koffer durchwühlt und ihres wertvollen Inhaltes beraubt: u. a. Uhren, silberne Bestecke, Wäsche, Fernglas, Tabak, Aktentasche, Koffer und dergl. Einem Beamten wurde sein ganzes Geld abgenommen. Alles mußte in großer Eile vor sich gehen, weil die tschechischen Plünderer vermutlich Angst vor der russischen Besatzung hatten. Über Schönborn, Nenndorf erreichten wir am Donnerstag 31. 5. 45 Lichtenberg im Kreise Zittau als ersten reichsdeutschen Ort, wo wir die in Abschrift beigefügte Verhandlung aufnehmen ließen.

Schreibe einen Kommentar