Heimatgemeinde Schönborn
Ortsbetreuer:
Rudolf Kastner
Ährenstr. 6
86179 Augsburg
Tel./Fax 0821-881020
Fax: 0821-24852009
e-mail: glamaruka@web.de
Mitwirkend:
Annelies Schermaul, Lessingstr. 6, 71277 Rutesheim, Tel. 07152-51501 e-mail: annelies.schermaul@t-online.de
Dr.-Ing. Gerhard Augsten, August-Pfänder-Str. 16, 72622 Nürtingen, Tel. 07022-46355, e-mail: dr.ger.augsten@t-online.de
Die Lage:
Das Dorf Schönborn liegt etwa 6 km nördlich des Zentrums von Reichenberg, einer der größten Städte Nordböhmens. Es erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung entlang der Landstraße nach Friedland. Ursprünglich hatte Schönborn nur zwei Ortsteile, die Große und die Kleine Seite, beide voneinander getrennt durch den Schönborner Bach. Dieser entspringt auf Gemeindegebiet, fließt nach Süden ab und mündet in den Ratschendorfer Grenzbach und dieser wiederum in die Schwarze Neiße. Entlang des Schönborner Bachs und damit im Talgrund verläuft auch die Dorfstraße, die nach Norden hin in die Friedländer Landstraße einbiegt und nach Einsiedel führt und nach Süden hin nach Althabendorf. Nach der Auflösung der alten Scholzerei wurde ab 1876 auf deren Grund der neue Ortsteil Neuschönborn aufgebaut, der, in Richtung Norden gesehen, rechts der Friedländer Landstraße gelegen ist und somit durch diese vom älteren Schönborn getrennt wird. Ein nördlich gelegener kleiner Ortsteil nannte sich der Löchelgrund. Häufig vertreten ist das für die Region typische Umgebindehaus. Die Höhenunterschiede im rund 590 ha großen Gemeindegebiet sind nur mäßig ausgeprägt, die höchste Erhebung ist der Spitzberg mit 462 m ü. NN, die tiefste Stelle liegt mit ca. 380 m ü. NN beim Dorfteich im Unterdorf.
Zur Geschichte:
Die erste große Welle der Besiedelung der waldreichen und damals menschenleeren Randgebiete des böhmischen Beckens durch deutsche Siedler, auf Einladung der böhmischen Könige, erfolgte im 12. Jahrhundert. Schönborn wurde offenbar erst zu einem späteren Zeitpunkt gegründet. Es ist als Waldhufendorf angelegt mit hierfür typischer aufgelockerter Bebauung. Erstmals wird die Ansiedlung im Jahre 1391 erwähnt, im Urbar der Herrschaft Friedland, und später in einem Lehensbrief der Herren von Biberstein (1278-1551) aus dem Jahre 1444. Die Siedler kamen wohl aus der Gegend von Friedland und aus den benachbarten Landschaften der Lausitz und Schlesiens. Da es dort Ortschaften namens Schönborn gibt, drängt sich die Vermutung auf, dass die Siedler einfach ihren alten Ortsnamen mitgenommen haben. Diese erste Zeit liegt weitgehend im Dunkeln. Aus späteren Aufzeichnungen geht hervor, dass der Ort der Reichenberger Seelsorge zugeteilt war, innerhalb dieser das zweitgrößte Dorf darstellte, und dass die Bauern dem dortigen Pfarrer zinspflichtig waren. Im Jahre 1556 zählte Schönborn 21 Bauern, 8 Feldgärtner und 6 Hausleute, die in 30 Gebäuden lebten. Etwa 75 Jahre später, unter Albrecht Wallenstein, dem „Friedländer”, hatte sich der Ort schon auf 55 Häuser vergrößert. Es gab freilich keine eigene Dorfkirche, vielmehr waren die Einwohner seit dem Jahre 1610 auf die im benachbarten Althabendorf errichtete Kirche St. Katharina (ursprünglich protestantisch, seit der Gegenreformation katholisch) angewiesen. Im Dorf gab es drei Kapellen, die jüngste davon, das so genannte „Glöckl”, wurde 1859 eingeweiht. Heute existiert keine mehr davon.
Die neuere Geschichte, beginnend mit dem Dreißigjährigen Krieg 1618-48, verlief in einem wechselvollen Auf und Ab. Nachdem die 200 Jahre zuvor ausgefochtenen Hussitenkriege dem Ort und seiner Bevölkerung schon schweren Schaden zugefügt hatten, wütete der Dreißigjährige Krieg in noch schlimmerer Weise, insbesondere als schwedische Truppen marodierend durchs Land zogen. Zu Ende des langen Krieges war der Ort wieder auf nur noch 30 Anwesen zurückgeworfen. Kaum war der ersehnte Frieden eingekehrt, so wütete die Pest, und es gab eine Reihe von Missernten und Hungersnöten. Im Zweiten Schlesischen Krieg (1744-45) wie auch im Siebenjährigen Krieg (1756-63) überfielen preußische Truppen mehrmals das Dorf. Auch in den Jahren 1864 und 1866 zogen Truppen durch Schönborn und waren zum Teil hier auch einquartiert, was eine erhebliche Belastung und Drangsalierung der Dorfbewohner mit sich brachte.
Von 1526 an bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 gehörte Böhmen zum Reich der Habsburger. Abgesehen von Rückschlägen infolge kriegerischer Ereignisse, Seuchen und Missernten bedeutete dies für Schönborn eine Zeit stetiger Entwicklung. Dies gilt insbesondere für die Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts, in der sich sehr viel Textilindustrie in Reichenberg und Umgebung ansiedelte und damit den Bewohnern einigermaßen auskömmliche Verdienstmöglichkeiten eröffnet wurden. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde die erste Tschechoslowakische Republik gegründet, und die Deutschen fanden sich zwar als größte Minderheit, aber doch als Minderheit in dieser wieder. Man war nun einer gewissen „Nadelstich”-Politik der neuen Herren auf dem Prager Hradschin ausgesetzt, auf das tägliche Leben hatte dies für Schönborn mit seiner fast ausschließlich deutschen Bevölkerung freilich keinen größeren Einfluss, wenn man davon absieht, dass die wehrpflichtigen jungen Männer nun zum tschechischen Militär einrücken mussten. Mancher Schönborner erinnert bzw. erinnerte sich gerne an den deutsch-tschechischen Schüleraustausch, der Gelegenheit bot, die Nachbarn und deren Sprache besser kennen zu lernen. Um 1929 war Schönborn zwar von großer Arbeitslosigkeit betroffen, dies jedoch als Folge der Weltwirtschaftskrise. Im Oktober 1938 wurde der Einmarsch deutscher Truppen aufgrund des Münchner Abkommens, wie überall, mehrheitlich begrüßt – nicht ahnend, welche Katastrophe sich damit anbahnte.
Das Schlusskapitel wurde mit dem Zusammenbruch des Dritten Reichs im Mai 1945 geschrieben. Als Vorboten des Unheils waren schon gegen Kriegsende Trecks schlesischer Flüchtlinge im Dorf aufgetaucht. Die Rote Armee rückte am 8. Mai kampflos in Schönborn ein. Schon bald danach setzten die so genannten wilden Vertreibungen ein, meistens befohlen von Revolutionsgarden, die außerhalb jeder Kontrolle operierten. Wenigstens war für die Schönborner Vertriebenen die Grenze zu Sachsen nahe, so dass das Spießrutenlaufen bis dorthin abgekürzt war und man rasch die weißen Armbinde, die getragen werden musste, wegwerfen konnte. Die Vertreibung wurde bis Ende 1946 mit den „geregelten” Ausweisungen und Transporten abgeschlossen. In den verlassenen Häusern siedelten sich aus dem Landesinneren zugereiste Tschechen und Slowaken an. Eine Reihe älterer Gebäude wurden in den Folgejahren abgerissen. Nur ganz wenige Deutsche, zum Beispiel solche, die tschechische Ehepartner hatten, durften bleiben. Nach einer Statistik von 1947 lebten nun im Dorf 656 Tschechen und Slowaken sowie noch 23 verbliebene Deutsche, verteilt auf 181 Häuser.
Mit der Vertreibung von etwa 3 Millionen Sudetendeutschen fand somit deren jahrhundertealte Kultur wie auch ein insgesamt gutes Zusammenleben mit Tschechen und Juden ein jähes Ende – das Ergebnis eines irrwitzigen Nationalismus auf beiden Seiten.
Die Dorfbewohner
Das Leben im Dorf war bäuerlich geprägt. Freilich waren die kargen Böden und das raue Klima nicht geeignet, reiche Erträge zu erzielen. So beschränkte sich die Landwirtschaft mehr oder weniger auf die Grünfelderwirtschaft, ergänzt durch etwas Getreide-, Kartoffel- und Rübenanbau. Ein Bauer, der sich mehrere Kühe halten konnte, galt schon viel, und bei den Feldgärtnern mit ihren kleinen Parzellen reichte es bestenfalls zu einigen Ziegen. Als Ergänzung wurden seit jeher die ausgedehnten Wälder der Umgebung genutzt, und man sammelte fleißig Beeren und Pilze. Der hauptsächliche Nebenerwerb war, bis zum Aufkommen der industriellen Fertigung, die Tuchweberei und Strumpfwirkerei. Eine Besserung der recht ärmlichen Lebensverhältnisse ergab sich erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts, als in Reichenberg und Umgebung, so in Katharinberg, Althabendorf, Ratschendorf, Einsiedel und Neundorf, überall Textilfabriken gegründet wurden und sich damit für die Bevölkerung haupt- und nebenberufliche Erwerbsmöglichkeiten ergaben. Auch bot die aufstrebende Stadt Reichenberg erweiterte Möglichkeiten des Absatzes von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Schönborn selbst war wegen des Fehlens eines ausreichend ergiebigen Wasserlaufs, der damals für einen Fabrikbetrieb nötig gewesen wäre, für die Ansiedlung von Industrie ungeeignet.
Im Jahre 1910 wurden 1.151 Einwohner gezählt, die in 162 Häusern lebten. In einer Aufstellung der Erwerbszweige aus der damaligen Zeit sind neben den üblichen in einem Dorf vorhandenen Handwerkern auch zahlreiche Händler aufgeführt, die mit dem Vertrieb ländlicher Produkte ihren Lebensunterhalt bestritten, und nicht weniger als sieben Gastwirte. Ferner werden drei Betreiber von Ziegeleien aufgeführt und ein Strumpfwirker. Die letzte Vorkriegszählung ergab 995 Einwohner, davon 937 deutsche und 58 nichtdeutsche. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde etwa 1.000 Dorfbewohner gezählt, darunter drei oder vier tschechische Familien, die sich auf 184 Häuser verteilten.
Für die Region typische Familiennamen im Dorf waren: Appelt, Beckert, Bernig, Effenberger, Franze, Gahler, Herbig, Herrmann, Hübner, Köhler, Krause, Kretschmer, Liebig, Leuker, Peuker, Pfeifer, Plischke, Prade, Scholze, Schwarzbach, Sieber, Simm, Simon, Stärz, Tandler, Thiel, Ulbrich und Weber. Der letzte Ortsvorsteher war Anton Herrmann.
Bildung, Brauchtum und Vereine
Schönborn besaß seit 1879 ein Schulhaus, nach Stand 1910 war darin eine vierklassige Volksschule, in der 223 Schüler durch sechs Lehrer unterrichtet wurden, untergebracht. Es blieb bis zur Vertreibung bei dieser einen Bildungseinrichtung im Dorf. Schüler, die eine weiterführende Schule besuchen wollten, fanden diese in Ruppersdorf oder Reichenberg. In beiden Orten gab es eine Bürgerschule (vergleichbar mit der heutigen Realschule) und in Reichenberg auch ein Gymnasium.
Kultur und Brauchtum waren österreichisch-katholisch geprägt. Die kirchlichen Feiertage markierten die Höhepunkte des Jahres. Ein bei der Jugend beliebter Brauch war das Gründonnerstagsingen, bei dem die Kinder morgens von Haus zu Haus gingen und den Segenswunsch „Gelobt sei Jesus Christus zum Griendonn’sche” erbrachten. Als Dankeschön erhielten sie dann allerlei Süßigkeiten und kleinere Geschenke. Die Advents- und Weihnachtszeit wurde besonders innig gefeiert. Es begann schon mit dem Tag der Heiligen Katharina am 25. November, die den Kindern in der abendlichen Dämmerung Äpfel und Nüsse in die Stube warf. Auch der Heilige Andreas am 30. November wie auch der Heilige Nikolaus am 6. Dezember ließen sich nicht lumpen und bescherten in geheimnisumrankter Weise die Kinder in Schönborn. Zu Weihnachten wurde in fast jedem Haus nach alter nordböhmischer Tradition eine selbst gebaute Krippe aufgestellt, und es war Brauch, dass man sich im Dorf gegenseitig besuchte, um diese zu besichtigen.
An weltlichen Anlässen war es die „Foasnacht”, die gerne mit Maskenbällen, Tanzvergnügungen und Umzügen gefeiert wurde und der dörflichen Jugend Gelegenheit gab, sich näher zu kommen. Am 30. April wurden zur Walpurgisnacht die so genannten „Wolperfeuer” angezündet, bei denen es die Aufgabe der Dorfjugend war, möglichst viele abgenutzte Besen aufzutreiben und funkensprühend zu verbrennen. Ein großes Fest war dann noch im Herbst die „Kormst”, mit der man ausgiebig Erntedank feierte.
Eine große Rolle im geselligen Leben spielten die Feuerwehr und die dörflichen Vereine. Um 1938 gab es den Gesangsverein Eintracht, den Deutschen Turnverein, den Deutschen Kulturverein, den Bund der Deutschen, den Arbeiter-Turn- und –Gesangverein, den Landwirtschaftlichen Verein und eine Landjugendgruppe. Man veranstaltete Theateraufführungen, Turnfeste und Faschingsbälle. Der beliebteste Veranstaltungsort war Bernigs Gasthaus „Zur Hoffnung” mit angeschlossenem Turnsaal. Diese stattliche Gaststätte war Nachfolgerin des im Jahre 1879 abgebrannten Dorfkretschams, wo der Scholze, das heißt der Verwalter und Richter des Grundherrn in Friedland, sein alleiniges Schankrecht ausübte.
Urlaubsreisen, so wie heute üblich, gab es natürlich noch nicht. Mit den verbesserten Lebensverhältnissen, die aufgrund der Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts einkehrten, leistete man sich bestenfalls einen Ausflug zu den Bauden des angrenzenden Isergebirges oder auf den Jeschken, den 1.012 m hohen Hausberg Reichenbergs – im Sommer zum Wandern, im Winter zum Ski- oder Schlittenfahren.
Josef Seliger – ein Sohn Schönborns
Die Jubelszenen vom Oktober 1938, die oft gezeigt werden und im Vordergrund der Wahrnehmung stehen, dürfen nicht vergessen lassen, dass es im Sudetenland starke antifaschistische Kräfte gab, insbesondere im Kreise der Sozialdemokratie. Deren herausragende Persönlichkeit war Josef Seliger, geboren in Schönborn. Er wuchs in einfachsten Verhältnissen im Ortsteil Löchelgrund auf, hatte aber das Glück, dass der Dorfschullehrer schon früh seine Begabung erkannte und ihn förderte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Textilarbeiter, wobei er aber auf seinen Wanderschaften sein Wissen und seine Erkenntnisse stetig erweiterte und sich mehr und mehr politisch engagierte. Im Jahre 1907 wurde er in den Wiener Reichstag gewählt, und er bekleidete bis 1919 den Posten des nordböhmischen Vorsitzenden der deutsch-österreichischen Sozialdemokraten. Bis zu seinem viel zu frühen Tode im Jahre 1920, also bereits in der Ersten Tschechischen Republik, war er Vorsitzender der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Wenn in der Folgezeit gerade aus der Sozialdemokratie heraus, unter dem neuen Vorsitzenden Wenzel Jaksch, Widerstand gegen die Nationalsozialisten geleistet wurde, der freilich ohne echte Chance war, so geschah dies im Geiste Josef Seligers, dem das Wohl der Menschen immer näher lag als ideologische Verbohrtheiten.
Verkehrsverhältnisse
Die Hauptverkehrsader ist die von Reichenberg nach Friedland führende Landstraße, heute als Straße Nr. 35 beziffert. Nebenstraßen führen von Schönborn nach Althabendorf und über Neuschönborn nach Ratschendorf. Eine erst in jüngster Zeit gebaute Verbindungsstraße von Schwarau in Richtung Einsiedel, die das Gemeindegebiet tangiert, bindet den Ort besser an die Fernstraße Nr. 13/ E 442 an.
Im Jahre 1875 wurde die Bahnlinie Reichenberg – Raspenau – Friedland eingeweiht. Erst später, im Jahre 1902, erhielt das Dorf zusammen mit dem Nachbarort Ratschendorf eine Haltestelle. Gemäß dem Kursbuch von 1943 (Reichsbahn-Strecke 160e) konnte man, wenn man den Frühzug um 5.37 Uhr nahm, direkt bis Görlitz durchfahren und kam dort um 7.12 Uhr an, mit Anschluss nach Berlin, das man zur Mittagszeit erreicht hätte. Die Bahnlinie existiert noch heute und weist einen regen Triebwagen- wie auch Güterverkehr auf.
Nach der Vertreibung
Die Bewohner Schönborns waren nach der Vertreibung in alle Gegenden Deutschlands zerstreut worden, einige fanden sich auch in Österreich und der Schweiz wieder. Schon bald begann der Schönborner Heinrich Fischer, die Adressen zu recherchieren, und er war dann auch der erste Ortsbetreuer der Schönborner Heimatgemeinde. Ihm folgte Annelies Schermaul, Rutesheim, die ihre Laufbahn als Lehrerin noch in der alten Heimat begonnen hatte. Heute ist Rudolf Kastner, Augsburg, der Betreuer der Heimatgemeinde, unterstützt durch Annelies Schermaul und Dr. Gerhard Augsten.
Ab 1951 fanden regelmäßig Heimattreffen der Schönborner statt, teilweise im Rahmen der Reichenberger und der Sudetendeutschen Treffen. Ein ganz besonderes Datum war der 11. Juni 1994, als das erste Treffen in der alten Heimat stattfand, nämlich im Kolosseum in Reichenberg-Paulsdorf. Mit der Wende konnten endlich auch die zahlreichen Heimatfreunde, die in der DDR gelebt hatten, einbezogen werden. Seither ist Zittau in der Oberlausitz der bevorzugte Treffpunkt geworden, da von hier aus die alte Heimat leicht erreicht werden kann.
War es zunächst das Anliegen, den ehemaligen Bewohnern einfach die Möglichkeit des Wiedersehens zu eröffnen, so trat in letzter Zeit mehr der Gesichtspunkt in den Vordergrund, die Erinnerung an die alte Heimat und deren Kultur zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Zielgruppe wurde somit mehr und mehr die Generation der Kinder und Enkel der aus Schönborn Vertriebenen, der bei den Treffen die Möglichkeit geboten wird, die Schönheit der alten Heimat im Isergebirge und am Jeschken kennen zu lernen. Dazu werden, neben dem obligatorischen Besuch von Schönborn und Reichenberg, auch touristische Ziele im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck angesteuert.
Ein besonderes Anliegen der Heimatgruppe ist es, die wenigen noch verbliebenen Gräber sowie das Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof in Althabendorf, wo die Schönborner ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten, in Stand zu halten, darunter auch dasjenige des langjährigen Ortsvorstehers von Schönborn, Franz Weber.
Schönborn heute
Schönborn heißt heute Krásná Studánka und ist in Liberec (Reichenberg) als 31. Bezirk eingegliedert. Die Nachbarorte heißen: Stráž nad Nisou (Habendorf), Svárov (Schwarau), Nová Viska (Neudörfel), Nová Ves (Neundorf), Mníšek (Einsiedel), Fojtka (Voigtsbach) Radčice (Ratschendorf), Kateřinky (Katharinberg), Ruprechtice (Ruppersdorf) und Pavlovice (Paulsdorf).
Das Dorf bietet nun das Bild eines randstädtischen Wohn- und Erholungsortes, die Landwirtschaft ist praktisch verschwunden. Viele der Häuser werden zum Ferien- und Wochenendaufenthalt genutzt. Von den zahlreichen früheren Gasthäusern existiert nur noch dasjenige „Zur Sonne” an der Friedländer Landstraße, heute unter dem Namen „U Medvĕda” („Zum Bären”) geführt.
Ein Schlusswort
Wenn die Schönborner heute ihr Heimatdorf aufsuchen, so tun sie dies ohne Bitterkeit und haben den Wunsch, dass die alten verhängnisvollen Denkmuster und Verhaltensweisen, die zur Katastrophe der Vertreibung geführt haben, nun endgültig der Vergangenheit angehören.
Verfasser: Dr.-Ing Gerhard Augsten Erstellt im April 2012
Schönborn in den 1930ern
Orientierungsplan 1910
Schönborn 2008
Quellen:
Glotz, P.: Die Vertreibung – Böhmen als Lehrstück, Ullstein-Verlag, München, 2003.
Seibt, F.: Deutschland und die Tschechen, Piper-Verlag, München, 1993.
Ressel, Anton Fr.: Heimatkunde des Reichenberger Bezirks, Stadt und Land; Verlag der Lehrervereine
des Stadt- und Landkreises Reichenberg, Bd. 1 + 2, Reichenberg ,1903 – 05.
Autorenkollektiv (Bearbeiter Dr.-Ing. Randolf Gränzer): Reichenberg – Stadt und Land im Neissetal, Hrsgb. Heimatkreis Reichenberg, Augsburg, 1974 (Darin enthalten: Fischer, H.: Gemeinde Schönborn).
Schermaul, Annelies: Erinnern, um nicht zu vergessen, Helmut Preußler Verlag, Nürnberg, 2006.
Schermaul, Annelies: Dorfgeschichten, Helmut Preußler Verlag, Nürnberg, 2008.
Bilder:
Bild 1: Ansichten von Schönborn aus den Dreißigerjahren
Bild 2: Schönborn heute, die untere Dorfstraße (Aufnahme von 2008)
Bild 3: Ortsplan von 1910