Technische Errungenschaften der Neuen Reichenberger Hütte

Eine Alpenvereinshütte stellt man sich idealerweise so vor, dass sie uns eine Möglichkeit zum Übernachten und einfachen Essen bietet und uns bei schlechtem Wetter Schutz vor Regen, Schnee und Sturm gewährt. Darüber hinaus hat man zumindest in der Frühzeit des Bergsteigens keinerlei Wünsche gehabt.

Auch unsere Neue Reichenberger Hütte hat dieser Vorstellung am Anfang genau entsprochen. Das Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen wurde aus dem Nahen Bödensee geholt und zur Beleuchtung gab es Petroleumlampen und Kerzen.

Die erste Technik kam dann 1932 mit dem Bau einer Wasserleitung vom Fuße der Gösleswand bis zur Hütte. Da es von der Quellfassung bis zur Bachlenke aber nur 30 cm Gefälle gab, tröpfelte das Wasser nur extrem sparsam. Außerdem fror die Leitung häufig ein und platzte immer wieder wegen Frostschäden. Erst 1973 erfolgte eine wesentliche Verbesserung durch den Bau einer Holzkiste als Hochbehälter auf der Bachlenke. Die beiden Toiletten erhielten statt der bisherigen Plumpsklos Wasserspülung, was natürlich auch eine Abwasserleitung von der Hütte bis zum Abflussgraben des Bödensees erforderlich machte.

Der Wunsch nach elektrischer Beleuchtung wurde immer stärker, zumal der Umgang mit Kerzen in dem völlig ausgetrockneten Holzbau eine sehr große Feuergefahr darstellte. Es begann 1977 mit einem primitiven Wasserrad am Zulauf zum Bödensee, das eine Autolichtmaschine antrieb. Bald folgte ein kommerzieller Windgenerator, dessen Flügel aber im Sturm abriss und gegen die Hüttenwand krachte. Eine kleine Wasserturbine, die ihr Wasser aus dem Bödensee bezog, lieferte dann Strom bis 1988, als unser damaliger Pächter Gotthard Bstieler ein stärkeres Wasserkraftwerk an einem kleinen Bach unter der grauen Wand baute. So konnten auch die Gaststuben mit elektrischem Licht versorgt werden anstelle des bisherigen Gaslichts. Inzwischen lieferten auch schon ein paar Photovoltaik-Zellen Strom fürs Radio.

Eine Funkverbindung ins Tal brachte 1978 die erste Verbindung zur Außenwelt.

Ab1996 gibt es sogar eine echte Telefonverbindung. Dazu musste ein Umsetzer oben am Hainzengrat installiert werden.

1992 wurde eine Solarwärmeanlage an die Westseite der Hütte angebaut, die Warmwasser für die Küche lieferte.

Unsere primitive Abwasser-Versickerung war den Behörden ein Dorn im Auge und so mussten wir eine Kläranlage planen. Die Kosten erschienen mit mehr als 1 Million Schilling für eine Hütte, die nur 3 Monate im Jahr betrieben wird, unsinnig hoch. Etwas anderes als eine vollbiologische Kläranlage konnte aber wegen der Gesetzeslage nicht genehmigt werden; deshalb haben wir zunächst eine teilweise Errichtung der Anlage beantragt, in der Hoffnung, dass in der Zeit, bis die Behörde die Vollerrichtung fordern würde, dort Vernunft eintreten würde..

Gleichzeitig mit den Bauarbeiten zur Kläranlage wurde 1978 auch die Wasserversorgung grundlegend erneuert: Von der Quellfassung bis zur Hütte wurden Polyethylenrohre verlegt (quer über den Göslessee sogar an einem Stahlseil aufgehängt) und an der Bachlenke ein Hochbehälter mit 10 Kubikmetern Inhalt eingegraben. Seither funktioniert unsere Wasserversorgung problemlos. Jetzt gibt es sogar in jedem Stockwerk einen Anschluss mit Feuerwehrschlauch.

Weil unser Kraftwerk oft wegen Wassermangel keinen Strom lieferte, musste 2002 ein Staudamm betoniert werden, um nicht so viel Wasser ungenutzt wegsickern zu lassen.

Da der Strom aus dem Wasserkraftwerk recht unregelmäßig war, gab es immer wieder Schwierigkeiten mit der Elektronik in der Hütte – inzwischen gab es ja zum Beispiel eine Rauchmeldeanlage und eine elektronische Kasse. Deshalb wurde die Stromversorgung über eine Batterie gepuffert und über einen Wechselrichter saubere 220 Volt mit konstant 50 Hertz zur Verfügung gestellt. Zu diesem Zweck stehen jetzt im Keller zwei große Gabelstapler-Batterien.

Im Jahre 2011 waren schließlich die Preise für Solarmodule so weit gefallen, dass wir eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach montieren lassen konnten, um den gesteigerten Stromverbrauch zu befriedigen.

Inzwischen hat sich auch der Wunsch nach mehr Komfort selbst auf hochgelegenen Hütten immer mehr durchgesetzt, so dass wir im Jahr 2014 je eine Dusche in den Damen- und Herrenwaschraum eingebaut haben. Die dafür nötige Warmwasserversorgung ist eine recht komplizierte Anlage geworden. Die Energie hierfür stammt zum Teil aus unserem Wasserkraftwerk, aus einem neuen Küchenherd, aus den Solar-Wärmekollektoren und neuerdings auch aus der Fotovoltaik. Die vernünftige Bedienung – und beim Hüttenschluss das ordentliche Einwintern – erfordert hohe Kenntnisse und technisches Geschick. Gott sei Dank haben wir mit Hansl Feldner einen Pächter, der dem gewachsen ist. Auch die elektrische Anlage hat inzwischen einen Grad an Komplexität erreicht, der einen normalen Laien total überfordert.

Hatten wir 1978 noch darauf gehofft, dauerhaft mit unserer kleinen Lösung der Kläranlage leben zu dürfen, hat sich diese Hoffnung inzwischen zerschlagen. Die Behörde hat im Jahr 2016 von uns verlangt, den Vollausbau zu einer biologischen Kläranlage durchzuführen. Wir mussten dem nachkommen und inzwischen ist die neue Anlage bereits in Betrieb. Der finanzielle Aufwand für den Bau einer solchen Kläranlage ist, vor allem in Anbetracht der extremen Lage unserer Hütte, sehr hoch. Durch Zuschüsse von Staat und Alpenverein kann die Belastung unserer Sektion aber einigermaßen erträglich gehalten werden.

Es waren riesige Erdbewegungen nötig, aber die Baufirma hat die Oberfläche recht schön wiederhergestellt, so dass, wenn alles gut geht, in ein paar Jahren nicht mehr viel von dem angerichteten Schaden zu sehen sein wird. Hoffen wir, dass die neue Anlage auch ordentlich funktioniert.

In den bald 100 Jahren, die unsere Hütte existiert, hat sich die Meinung, wie viel Technik sinnvoller Weise nötig ist, ganz gewaltig geändert. Wir wollen aber immer an dem Prinzip festhalten, dass die Hütte Schutz und Gemütlichkeit bieten und die Technik möglichst unauffällig im Hintergrund bleiben soll.

 

Dipl. Ing. Dr. Herbert Preibisch

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